Das junge Schriftstellerhaus

Texte des diesjährigen Jahrgangs 2022-2023

Sophie Mrotzek: Freibad

Sophie Mrotzek © privat
Sophie Mrotzek © privat

Es ist kalt, wenn er seinen Schatten über sie wirft. Die grünen Wiesen des Freibades verlieren an Intensität. Was eben noch nach Sonnencreme, Pommes und Chlor roch, drückt jetzt einen schweren Geruch von muffigen nassen Klamotten auf ihre Schultern. In ihrem Hals stecken noch die Stücke des Gespräches; ein kleines Lachen liegt eingequetscht zwischen einem Witz über einen ehemaligen Lehrer und einer Erinnerung an das vergangene Jahr. Alles an ihrem Körper wird blass und die Wärme der Sonnenstrahlen fühlt sich nicht mehr nach der Sanftheit eines Sommerabends an, sondern nach glühenden Eisen, die ihr in das Fleisch brennen, als würden sie sie brandmarken wollen. Er drückt sich durch das Drehkreuz und sieht ihr dabei zu, wie sie sich zusammen mit der Badetasche in tippeligen Schritten durch die kleine Lücke schiebt. Ein Handtuch befreit sich währenddessen, rutscht immer weiter aus der Tasche, bis sie auf dessen Ende tritt, stolpert und vorwärts gegen die Stäbe fällt. Das Gesicht zu einer schmerzgequälten Grimasse verzogen, kommt sie stolpernd neben ihm zum Stehen. Schweigend bahnen sie sich einen Weg durch die Reihen parkender Autos und halten Ausschau nach dem kleinen Fiat Panda.

Sie merkt, wie er mit sich kämpft. Wie er alles in sich unterdrückt, um keinen Kommentar über ihre Tollpatschigkeit zu machen. Sie merkt, wie er sich sagt, dass er sie liebt und keinen Streit will und trotzdem etwas in ihm gegen sie ist. Sie zählt die Skodas. Er schafft es drei Schwarze und einen Silbernen weit: „Wieso trägst du eigentlich immer noch Bikini?“ Sie zuckt mit den Schultern und zieht bei der Gelegenheit den Kopf ein. „Wieso nicht? Die anderen tragen doch auch einen“. Sie weiß die Antwort, bevor er sie ausspricht. Sie kennt sie seitdem sie zusammengezogen waren und er sie beim Essen und Umziehen mit einer Mischung aus Ablehnung und Unverständnis ansah. Sie kennt sie, seitdem sie das erste Mal miteinander geschlafen hatten und er überall hinsah, nur nicht auf ihren Körper.

„Die anderen sehen aber auch nicht so aus wie du“, er verzieht das Gesicht, als wäre es ihm unangenehm darüber zu sprechen. Sie müssten gar nicht darüber sprechen, wenn es nach ihr ginge. Sie streckt den Arm aus und wühlt in der Tasche nach dem Autoschlüssel. „Warum bist du dann nicht mit den anderen zusammen?“, glattes Metall stößt an ihre Finger und sie zieht den Schlüssel an einem kleinen „Welcome to Hotel California“ Schlüsselanhänger aus dem Seitenfach. „Schatz, ich will aber keine andere. Wieso ist es so schlimm, wenn ich dich darum bitte abzunehmen?“ Er macht einen Schritt auf sie zu, nimmt ihr mit der einen den Schlüssel aus der Hand und reibt ihr mit der anderen über den Oberarm. Kleine weiße Hautfetze fallen unter dem Druck seiner Berührung zu Boden. Das ist wegen der Sonne, sagt sie sich, das ist normal, dass sich die Haut nach einem langen Sonnenbad schält. „Ich bitte dich ja auch nicht darum abzunehmen“, beim Öffnen der Tür schlägt ihr eine Wand aus Hitze entgegen. Sie schiebt die Tasche auf die Rückbank und lässt sich auf den heißen Sitz fallen. Der schwarze Bezug scheint mit dem Stoff ihres Kleides zu verschmelzen, so sehr brennen ihre Schenkel. Sie verschmelzen langsam miteinander. Er nimmt hinter dem Lenkrad platz und kurbelt sein Fenster herunter, bevor er den Motor anlässt und ausparkt. Die Klimaanlage ist schon lange kaputt. „Meine Güte, ich bin dafür im Normalgewicht. Nicht so wie du, du bist übergewichtig“, er wirft ihr einen seiner Blicke zu; angeekelt und voller Unverständnis. „Das stimmt nicht!“, schreit sie über den Fahrtwind hinweg, obwohl sie weiß, dass es stimmt. Vielleicht nicht in den Tabellen, aber sie weiß, dass sie zu dick ist. Molliger als die anderen. Er sagt es ihr oft genug. Wenn er könnte, würde er es wahrscheinlich auf ein Plakat malen und es an den Spiegel hängen, so dass sie es jeden Tag beim Anziehen und fertig Machen lesen kann: „Sie ist zu dick“.

Und sie hasst ihn dafür, auch wenn sie ihn liebt. „Hör mal, ich liebe dich, aber ich finde dich so einfach nicht attraktiv“, der Wind bläst durch ihre Haare. Einzelne Strähnen fallen ihr dabei aus und werden aus dem Fenster gezogen. Sie wünscht sich, seine hohlen Worte könnten genauso weit wegtragen werden. „Willst du für mich nicht ein wenig attraktiv sein? Liegt dir überhaupt nichts an unserer Beziehung?“ Sie halten an einer Ampel. „Doch, das tut es“, sagt sie leise. Er legt seine Hand auf ihren Oberschenkel. Den Oberschenkel, den er zu dick findet. Die Sommerhitze findet einen Weg zurück in das Innere des Wagens. Neben ihnen hält ein kleiner Kombi mit einer Familie. Die Mutter sitzt am Steuer und lacht, vor den Fenstern der Kinder ist eine Verdunkelung angebracht. Hinter einem hellblau getönten Bild einer Kindersendung, zappeln zwei kleine Wesen. „Ich will doch auch nur das Beste für dich“, seine Hand kneift in die Haut an ihrem Knie. Die Stelle fühlt sich fremd an, als hätte sein Kniff sie von ihrem Körper abgetrennt. „Ich verstehe, dass dir das unangenehm ist, aber es soll ja auch nicht viel sein. Dann kannst du auch wieder Bikini tragen.“ Sie zwingt sich zu lächeln. Ihre Haut spannt. Sie ist ausgetrocknet vom Chlor und der Sonne. Es fühlt sich so an, als würde sie reißen. Die Ampel springt auf grün. Der Fahrtwind peitscht durch das Innere des Wagens.

Als sie aus dem Auto steigen, ist ihr Gesicht voller kleiner Risse. Die Stelle über ihrem Knie fehlt. Durch die fehlenden Haare sind helle Stellen ihrer Kopfhaut entblößt. Ihre Oberschenkel sind halb zerschmolzen und Fetzen des Autositzes kleben an ihnen. Von ihrem Arm blättert noch immer die Haut. Noch ein paar Mal muss er sie berühren, denkt sie, dann zerfällt sie unter seinem Druck.

Josefine Klick: Lauter

Josefine Klick © privat
Josefine Klick © privat

Ich befinde mich in einem Raum voller Menschen.
Aber ich bin trotzdem allein.
Ich sitze bequem auf einem Stuhl, den Oberkörper der Person zugewandt, die gerade redet, die Beine leicht übereinandergeschlagen, meine Finger fahren über den Saum meines Pullis. Nichts Besonderes, einfach nur ich, wie ich interessiert zuhöre.
Aber ich möchte wegrennen.
Jemand erzählt eine lustige Geschichte, wir lachen alle. Ich höre mein eigenes Gelächter aus meinem Mund perlen.
Es fühlt sich an wie ein Fremdkörper.
Gemeinsam mit den anderen Menschen höre ich wieder auf zu lachen und höre weiter zu. Die Geschichte ist interessant, ich folge der Gestik des Erzählenden mit den Augen, mache zwischendurch genau wie alle anderen einen kleinen Kommentar, aber dann bin ich wieder ruhig, lausche wieder, bleibe still auf meinem Stuhl. Meine Finger hören auf, am Ärmel meines Pullis entlang zu streifen, mein linker Fuß beginnt zu wippen. Mein Gesicht ist ruhig.
Meine Gedanken nicht.
Jemand setzt sich mit seinem Stuhl dicht genug neben mich, dass unsere Schultern sich berühren. Ich begrüße das vertraute Gesicht, die vertraute Stimme, die vertraute Gestalt. Ich lächle.
Ich will mit meinem Stuhl wegrutschen.
Je länger ich der vertrauten Person ins Gesicht sehe, desto mehr Erinnerungen kommen hoch, an gemeinsame Situationen, an all die Zeit, die wir miteinander verbracht haben. Die Person beginnt, eine andere Geschichte zu erzählen. So viele Geschichten in einem Raum. So viele Menschen in einem Raum. Das ist interessant.
Das ist zu viel.
Langsam beginne ich wie automatisch, mein eigenes Verhalten an die Gestik und Mimik der anderen Person anzupassen. Hier ein Gesichtsausdruck, dort eine Ausdrucksweise, hier eine Art, die Hände zu bewegen. Ich nehme einen Teil einer anderen Person an, so wie wir es alle tun, wenn wir Zeit mit jemand anderem verbringen, auch wenn wir es sonst nicht merken.
Ich gehe verloren.
Zeit vergeht, die Uhr an der Wand ist nur ein Messgerät für die Menge an Dingen, die gesagt werden. Ich bin jetzt bei zwei Stunden Belanglosigkeiten. Irgendjemand erzählt immer etwas, die Menschen im Raum sind laut.
Meine Gedanken sind noch lauter.
Mein Verschwinden fällt nicht mal mir wirklich auf.

Felicitas Kaiser: Prügelei (Auszug)

Felicitas Kaiser 2023 © privat
Felicitas Kaiser 2023 © privat

„He du! Lust, dich zu prügeln?“ Der Junge mit hochgezogenen Schultern, Ruck- sack auf dem Rücken und Kapuze über dem Kopf ignoriert mich und läuft weiter.

„He du, ich mein dich in der grauen Jacke!“ Außer uns beiden Nachsitzern ist der sonnenbeschienene Schulhof leer. Der Junge wirft mir einen Blick über die Schulter hinweg zu und beschleunigt seine Schritte. Er ist mir vielleicht zehn Meter voraus, außerdem einen Kopf größer als ich, aber ein Lauch. Vorher auf dem Weg aus der Schule raus hat er mir die Tür aufgehalten. Die Tür aufgehalten! Als ob ich die nicht selber aufkriegen würde. Ich hole zu ihm auf. Er läuft sehr schnell, sodass ich zugegebenermaßen schon fast rennen muss, aber die Flucht ergriffen hat er noch nicht. Doch nicht so ein Schisser wie ich dachte.

„Hättest du Lust, sich zu prügeln?“, wiederhole ich. Jetzt kann er nicht mehr so tun, als hätte er nichts gehört oder als sei er nicht gemeint.

„Falls ich dich irgendwie verärgert habe, tut es mir leid!“, sagt er, „ich muss jetzt nachhause.“

„Ne ne, du hast mir nix getan, ich wollt‘s dir nur anbieten“, erkläre ich.
„Was, ne Prügelei?“
„Ja genau.“
„So wie man jemanden zum Essen einlädt?“, fragt der Junge. Der Vergleich gefällt mir nicht, vielleicht, weil er zu treffend ist. „Alter, was ist falsch bei dir?“, fragt er und hastet über eine rote Ampel. Ich muss ein Auto und eine Horde radfahrender Fünftklässler abwarten, dann haste ich ihm hinterher.

„Was ist falsch bei dir?“, rufe ich. Bei jedem anderen Idioten wären schon längst Schläge gefallen. „Was muss ich tun?“, frage ich.

„Hä?“
„Damit du dich mit mir prügelst.“
Jetzt ist er stehen geblieben und sieht ungläubig auf mich runter.
„Du siehst nicht aus, als hättest du schon mal jemanden geschlagen“, füge ich hinzu.
„Ach ja?“, erwidert er. Was meint er damit Ach ja? Lag ich falsch? Seine Miene verrät nichts. „Ich überleg‘s mir, ok?“, sagt der Junge.
Ich nicke. „Ok cool.“ Ich klopfe ihm einmal auf die Schulter, etwas stärker als ich es bei meinen Freunden machen würde und lache in mich hinein, als er zusammenzuckt. „Dann… lass ich dich mal überlegen.“ Ich mache einen Schritt zurück und der Junge starrt mich an. „Man sieht sich!“ Er sagt nichts.

☼☼☼

„Schien der denn sauer?“, fragt Mara. Ich sitze mit meiner besten Freundin im Park, auf dem Spielplatz in der Holzhütte, in die wir unserem Alter nach eigentlich nicht mehr hineinpassen dürften.

„Nicht wirklich. Ich hab ihn auch noch nie vorher gesehen… Das ist alles so seltsam.“

„Und er hat wirklich gefragt, was er tun muss?“, hakt sie nach.

„Jaa“, antworte ich genervter als beabsichtigt. Nach dem Mittagessen hat es geschüttet. Auch jetzt nieselt es noch. Ich fahre mit meinen Fingern über die sandigen Holzbretter. Mein Nacken schmerzt ein bisschen vom sich zusammenducken.

„Und, was muss er tun?“, fragt Mara mit einem Grinsen. Die Frage war nicht ernst gemeint, weil sie dachte, die Antwort zu kennen, aber jetzt wo sie gefragt hat, fange ich wirklich an, über das Angebot nachzudenken.

„No way!“, ruft sie, als sie meine Gedanken gelesen hat und sieht mich mit großen Augen an. „Nachher bricht er dir die Nase!“ Sie beißt sich auf die Lippe, wie sie es immer tut, wenn sie nachdenkt. „Wobei, also macht schon auch Spaß, wenn ich mich manchmal mit meinen Brüdern klopp‘.“

Ich zucke mit den Schultern. „Kann ich mir vorstellen.“
„Ach immer diese Einzelkinder“, lacht sie.
„Hat sich einer von euch mal verletzt?“, frage ich.
„Früher hat es immer damit geendet, dass einer geheult hat“, erzählt sie, „ah und
schau mal“ Sie deutet an eine Stelle an ihrer Stirn. „Da hat Theo mich mal geschubst und ich bin gegen ein Schild geknallt.“ Im Schatten der Hütte kann ich nichts erkennen. Wir lauschen ein paar Augenblicke dem Regen auf dem Dach.

„Du könntest Geld verlangen“, schlägt Mara vor.

„Du spinnst doch“, ich zwänge mich aus der Hütte. Meine Beine tun langsam weh.

„Wieso? Mach doch das beste draus“, ruft sie nach draußen und klettert aus dem Fenster. „Oder du ignorierst ihn und gehst ihm möglichst aus dem Weg.“ Wir stehen im Sandkasten, wo sich lauter bunte Herbstblätter angesammelt haben.

„Hm.“ Ich sehe diesen Jungen vor mir, dessen Namen ich nicht kenne und sein Grinsen, als er sich verabschiedet hat.

☼☼☼

Mein Gehirn faßt den Beschluss schneller als ich denken kann und ich will auch nicht darüber nachdenken, sonst würde mir auffallen, wie hirnrissig das alles ist. Ich gehe auf Nicklas aus der Para zu, den konnte ich noch nie leiden und haue ihm eine rein. Ich versuche, ihn auf den Boden zu schmeißen. Nicklas wehrt sich, aber ich bin wahrscheinlich stärker. In weiter Ferne höre ich die Pausenglocke läuten. Ich stimme in das allgemeine Geschrei ein, das mein Angriff ausgelöst hat. Ein Knie trifft mich schmerzhaft in den Bauch. Ich weiß nicht, was ich schreie, aber laut genug ist es, denn da kommt endlich eine Pausenaufsicht angelaufen. Es ist Donnerstag, die zweite Pause und ich habe den Jungen in der grauen Jacke die ganze Woche nicht gesehen. Ich weiß nicht, in welche Klasse er geht. Ich weiß nicht mal, wie er heißt. Hätte ich letzte Woche nur besser aufgepasst, als beim Nachsitzen die Anwesenheit kontrolliert wurde.

Mit einer blutigen Lippe hocke ich beim Rektor und höre mir an, dass nicht mehr viel fehlt, um von der Schule suspendiert zu werden. Aber irgendwie juckt mich das gerade nicht.

Es ist Freitag 14:00 und ich sitze beim Nachsitzen, aber er ist nicht da. Ich brodle und will irgendwas zerbrechen. Mein Kugelschreiber ist zu stabil, also schmeiße ich das Mäppchen meines Sitznachbarn auf den Boden.

„Was soll das, du Wichser?“, fährt er mich an.
„Ruhe dahinten!“, ruft die Lehrerin und ich verkneife mir meine Antwort.
Als ich nach zwei zähen Stunden endlich nachhause darf, stoß ich die Tür zum

Pausenhof mit dem Fuß auf. „He, junger Mann!“, ruft mir der Hausmeister hinterher. Mein Tritt war wohl ein wenig zu stark. Ich laufe weiter. Über den Schulhof, über die Ampel, die Straße entlang bis nachhause, wo zwar niemand auf mich wartet, ich aber endlich meine Ruhe habe, weil keiner irgendeinen Scheiß von mir erwartet.

Nein, so weit komme ich nicht. Auf den Treppen bei den Tischtennisplatten hockt jemand. Eine dünne hochgewachsene Gestalt mit hochgezogenen Schultern und Kapuze auf dem Kopf. „He du!“

Ich bleibe neben ihm stehen. Der Himmel ist wolkig, aber es ist recht warm. Er hat ein Buch und ein Heft auf den Knien und einen Stift in der Hand.

„Was machst du da?“
„Hausaufgaben.“
Ich schnaube und verkneife mir ein „Scheiß Streber“. Der Junge packt sein Zeug zusammen und steht auf. „Ich habs mir überlegt“, sagt er, „Ich bin dabei.“ Er läuft die Treppen runter, stellt sich breitbeinig hin und nimmt zögernd sie Arme hoch. Ich muss fast lachen. „Ne, nicht hier.“ Ich seh‘ mich auf dem Schulhof um. Der ist zwar leer, aber… „Nachher sieht uns noch n Lehrer und auf nochmal Nachsitzen kann ich vorerst verzichten“, sage ich, „Komm mit.“

Laura Bayer © privat
Laura Bayer © privat

Laura: Asphalt

Ich sehe grau.
Grauen Asphalt.
Eine grauglänzende Landschaft aus Rauch und Metall.
Eine allesverschlingende Wüste der sich wälzenden Zeit.
Über ihr ziehen die Wolken vorbei,
Schwerelos gleitend wie die Passanten,
Wie ein einziger träger Strom aus sich so ähnelnden Unbekannten.

Doch ich steh geschützt in meiner Blase aus Raum,
Hinter meiner Wand aus Gedanken,
Getrennt vom hetzenden, brausenden Sturm.
Ich bin nicht allein. Alleine nicht.
Aber was ändern tausende Menschen
An dieser inneren Einsamkeit?
Mitten im Trubel und doch so weit weg vom Geschehen.
Mitten in der Menge und doch ungesehen.
Ich bin nicht allein. Nicht allein.
Ich bin wie ein Knopf an der falschen Naht, wie ein Topf ohne Boden,
Innerlich verkümmert und leer, nach außen hin abgehoben.
Selbst wenn mich die anderen streifen mit unwissenden Blicken,
Selbst wenn eine reale Person mit mir spricht,
Sehen tut sie mich doch nicht.
Existent bin ich schon. Aber leben?
Kann man dieses herrschaftliche Leiden auch leben nennen?

Ich frage mich wie sieht die Welt von oben aus?
Sieht man vielleicht andere Farben?
Spürt man Grenzen denn auch in der Luft?
K
ann ein gefangenes Herz im Blau des Himmels auch freier schlagen?

Ich werde es nie erfahren.
Denn ich sehe grau.

Asphalt 4

Eine Reihe vergessener Zinnsoldaten
Zieht sich hin bis zum Horizont.
Sie stehen gedrängt, sie füllen die Gassen,
Jeder alleine alle in Massen.
Die Farbe sie blättert,
Die Stiefel im Dreck,
Die gläsernen Augen bedeckt
Mit Tau, mit Dunst.

Was auch immer dies ist,
Es ist keine Kunst.
Keine Kunst mehr.
Vielleicht war sie mal da.
Doch nun verteilt sich Soldatenschweiß
In den Pfützen, den Lachen,
Vermischt mit Blut, Schweiß und Tränen,
So trüb, man kann sich fast nicht mehr sehen,
Wenn man wirklich den Fehler macht
Und die gefallenen Krieger anlacht.
Das Einzige, was man in diesen Pfützen noch sieht,
Ist fast gebrochener Himmel,
Zerstoßene Splitter der einst Blauen Höhe.

Die Männer werden nicht reden,
Niemals ihre Stimmen erheben,
Dich nicht daran hindern ans Wasser zu gehen,
Um die Hoffnungslosigkeiten zu sehen,
Die sie längst sahen, die sie dazu brachten,
Sich in die ewigen Reihen zu stellen
Und nur noch zu Starren, zu Schweigen,
Zu Warten, im verrauchten Nichts mit offenen Karten,
Bis der Himmel letzendlich fällt.

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