Das junge Schriftstellerhaus

Das Junge Schriftstellerhaus – Teilnehmende und Texte 2023/2024

Texte von Teilnehmerinnen und Teilnehmern der 5. Schreibwerkstatt des Jungen Schriftstellerhauses von 2023 bis 2024

Felicitas Kaiser stellt Jana Bohle vor

Jana Bohle gießt ihre Texte entweder zu viel oder zu wenig und es müffeln einem manchmal Figuren aus ihnen entgegen. Ideen stolpern ihr zufällig über den Weg, beim Beobachten und Belauschen von Leuten oder beim Blick aus dem Fenster während der Bahnfahrt. Auch zum Prokrastinieren des Studiums (Medienwissenschaften und Slawistik) eignet sich Schreiben hervorragend. Damit möchte sie womöglich Nischen-bekannt, aber nicht auf der Straße erkannt werden.

Porträtfoto von Felicitas Kaiser
Felicitas Kaiser (© Foto: privat)

 

David Zähringer stellt Luisa Kunth vor

Eine Leidenschaft, die sie selbst hin und wieder als nahezu krankhaft beschreibt, ein scheinbar angeborenes Talent für Metaphorik und Poesie und der große autobiografische Hintergrund ihrer Texte machen Luisa zu einer der interessantesten jungen Schriftstellerinnen in ganz Stuttgart und Umgebung.

Es ist eben diese Leidenschaft, die dazu führt, dass sie ihre literarische Arbeit nicht etwa mit der Hoffnung auf Ruhm, Geld oder Berühmtheit vorantreibt, sondern allein für die Kunst und die Schönheit an sich – eben, weil ein wahrer Autor schreibt, weil er nun mal schreiben muss, um nicht verrückt zu werden. So oder so ähnlich hat sie diese Botschaft einmal in einem Satz ausgedrückt: „Ich würde schreiben, selbst wenn ich am Verhungern wäre.“ Diese bedingungslose Entschlossenheit ist auch deutlich in ihren Texten spürbar, da bei ihr „der Selbstwert immer durch ihre Kunst“ definiert wird.

Porträtfoto von David Zähringer
David Zähringer (© Foto: privat)

 

Helena Bierbaum stellt Emma Schmid vor

Während die Schatten der Blätter von
draußen das Raster auf karierten Seiten durchbrechen,
an Linien schaben und reißen,
sind es Stiftspitzen, die hasten und kratzen,
Formeln und Zahlen in dünnen, grauen Kasten
stapeln sich auf weißem Papier.
Sätze und Worte von innen
drängen sie nach außen.

Sie sind es, die entstehen,
es sind die besten Ideen,
wenn man eigentlich etwas ganz anderes machen sollte.
So geht es Emma oft, ihre Texte entstehen von innen nach außen.

Am besten kann sie schreiben, wenn
die Sonne woanders aufgeht und das Haus still wird.
Mit ihrem Hund webt sie gestreifte Texte auf dunklen Teppichen.

Den weinenden Wesen gibt sie zu essen
und tröstet sie mit leuchtenden Sätzen.

Denn so sind ihre Texte, sie leuchten. Manche Texte erinnern
an ein Prisma, durch das Licht bricht, und durch das geschliffene Glas man einen neuen Blickwinkel –
Auf die Frage, ob sie berühmt werden will, antwortet sie: Also nicht so berühmt, dass einen alle kennen, aber vielleicht so, dass sich auf jeden Fall jemand an mich erinnert. Es wäre schon schön, wenn jemand mich auf der Straße anspricht und sagt: Hey, ich hab dein Buch gelesen. Wie bist du nur auf die Geschichte gekommen?

Porträtfoto von Helena Bierbaum
Helena Bierbaum (Foto: privat)

 

Luisa Kunth stellt David Zähringer vor

Es ist eine schöne Tradition, dass sich die Teilnehmenden des Jungen Schriftstellerhauses gegenseitig vorstellen. Luisa Kunth stellt David Zähringer vor:

In meiner Vorstellung verbringt David seine Ferien in schottischen Schlössern, wo er hinter einer Schreibmaschine am Kamin sitzt und Whisky trinkt. Er trägt klassische Lederschuhe und eine fast historisch anmutende Armbanduhr. Ich mag alles, was alt ist, sagt er. Ihn umgibt die Ästhetik einer anderen Zeit, was sich auch in seinen Texten äußert. David spricht offen über seine Dämonen, sagt über sich selbst, er habe einen Gottkomplex, also ein inneres Gefühl von Unfehlbarkeit, insbesondere in Bezug auf sein kreatives Schaffen. Einerseits zeigt er sich mir als klassisch gequälter Künstler, der einfach nur etwas wirklich Gutes erschaffen will, andererseits wirkt er auf mich zugänglich und vornehm, hat eine einladende Ausstrahlung und ein freundliches Lächeln. Bei der Frage nach einem unerwarteten Fakt über sich, erzählt er, dass er als Kind gerne Ballett getanzt hätte. In seinen Texten bleibt er selbst als Autor für den Leser ein Mysterium, er schreibt nicht direkt über sein Leben, sondern erfindet lieber fiktive Szenarien. Sogar mit seinem Ich aus der Zukunft, würde er nicht über seine privaten Probleme sprechen, selbst wenn sein Leben davon abhängig wäre. David zündet sich eine Zigarette an und erzählt mir, dass er wegen James Dean angefangen hat zu rauchen. Unser zeitreisender Romanautor ist hier im Schriftstellerhaus, weil er Großes vollbringen will.

Porträtfoto von Luisa Kuhnt
Luisa Kunth (Foto: Susanna Grimm)

 

Josefine Klick: „Frankenstein“

Josefine Klick ist seit 2022 beim Jungen Schriftstellerhaus dabei. Sie hat uns diesen Text geschickt, der im Rahmen der gemeinsamen Arbeit im Schriftstellerhaus entstanden ist und stelt sich selbst ganz kurz so vor:

„Hi, ich bin Fine, 17 Jahre alt und ich komme aus Stuttgart. Neben dem Schreiben spiele ich Klavier und denke viel zu viel nach.“


Frankenstein

Ich bin ein Teil von dir und du bist einer von mir und du wirst es immer sein.

Wir stehen vor dem Spiegel und du wäschst dir das Gesicht mit dem Reinigungsgel, das dir der Dermatologe verschrieben hat, den ich dir empfohlen habe und ich schminke mich mit dem Lippenstift, den du mir letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hast, er ist bald leer und draußen ist es kalt, weil Winter ist und gleich wirst du aus der Tür gehen mit dem Schal, den meine Mutter dir mal gegeben hat, weil mein Vater ihn nicht mehr wollte. Mein Lippenstiftlächeln klebt auf deiner Wange, als deine Arme meinen Körper aus der Umarmung lassen und du verlässt das Haus, deine Fußstapfen im Schnee, als hätte jemand sie gemalt, als hätte jemand sie als Kunstwerk erschaffen, weg von mir und heute Abend wieder zurück, du bist ein Bumerang aus Fleisch und Knochen und Gedanken und ich auch. Wir sind eine Einheit, du bist ein Teil von mir, ich bin ein Teil von dir und wenn du blutest, flicke ich deine Wunden mit meiner Haut.

Abends, wenn wir im Bett liegen, drehe ich die Heizung auf und kuschele mich an dich, aber nicht mal unsere immensen Heizkosten können darüber hinwegtäuschen, dass deine Haut kalt ist wie meine, dass Nähte unsere Körper zieren wie bucklige Narben von tiefen Wunden. Wir sind Monster mit Nadel und Faden, die einander erschaffen haben, die sich einbilden, dass die Hand des anderen nicht längst kalt ist.

Und ich nähe dir mit sicheren, festen Stichen und der Nadel in meinen grauen Händen das Lächeln aufs Gesicht und du polierst meine Augäpfel, damit der Glanz zurückkommt und letzte Woche hast du Handwärmer gekauft, ein ganzes Großpack. (Josefine Klick, 17 Jahre)

Porträtfoto von Josefine Klick
Josefine Klick (© J. Klick)

 

Emma Schmid: „Für immer“

Im Jungen Schriftstellerhaus haben wir ein Adventsspiel der eigenen, und das heißt natürlich, kreativen Art. Jeder schreibt eine Seite zu einem gestellten Thema. 2023 war das „Die Wärme der anderen Hand“. Am Ende wird geraten, welcher Text von wem ist. Manchmal sind wir sehr sicher und liegen richtig – öfter überrascht die muntere Runde sich selbst: „Was, das ist von dir?“

Emma Schmid ist mit vierzehn Jahren unsere Jüngste, seit zwei Monaten dabei. Sie hat uns einen Text über ihren Opa geschenkt, eine berührende Liebeserklärung. Beim Adventsratespiel wurde Emma so mancher Text zugetraut – ihr ist als Autorin noch einiges zuzutrauen.  (Moritz Heger)

 

Für Immer

Ich hielt seine warme Hand und schaute ihm in die Augen. All die Erinnerungen spiegelten sich in dem trüben Grün. Die langen Nächte, in denen er mir von seiner Familie erzählte, seinen Eltern und seiner Oma, die immer ein großes Vorbild für ihn gewesen war. War er mein großes Vorbild? Schon mit drei hatte ich mir eine Gitarre gewünscht, weil er mir immer Lieder darauf gespielt hatte. Er erzählte mir Geschichten, und ich erfand schon welche, als ich noch nicht einmal schreiben konnte, während ich davon träumte, ein Buch zu veröffentlichen.

Er bereiste die Welt, bevor ich überhaupt davon träumen konnte. Doch machte ihn das zu meinem Vorbild? Er nahm seine Brille ab, jedoch ohne meine Hand loszulassen. Ich schaute auf seine Hand, die Hand, die ich schon so oft gehalten hatte, beim Rutschen oder um ihn im bunten Getümmel an Fastnacht nicht zu verlieren. Ich schaute aus dem Fenster, in den verschneiten Garten, es war schon lange dunkel, denn er hatte mir wieder viel erzählt. Er seufzte, stand auf und wünschte mir eine gute Nacht. Seine Hand verschwand aus meiner, und ich hoffte, diese Hand noch viel öfter zu halten, an meiner Hochzeit, nach der Geburt meines ersten Kindes. Doch war das ein realistischer Wunsch? Er war nicht mehr der Jüngste, und früher oder später würde ich sie das letzte Mal halten, ob ich wollte oder nicht, seine warme Hand würde kalt werden. Schnell wischte ich die einsame Träne weg, die mir über mein Gesicht rollte. Die alte Uhr an der Wand schlug elfmal, trotzdem zog ich meine Jacke an und ging hinaus in die Dunkelheit. Das Dorf lag verlassen vor mir, und ich hatte keine Ahnung, wohin ich lief, Hauptsache weg von der Wärme. Meine Hände platzten wegen der Kälte auf, doch das war mir egal. Ich ertrug lieber die Kälte als das Gefühl, wenn die Wärme langsam verschwand und manwusste, dass sie nie zurückkommen würde. (Emma Schmid, 14 Jahre)

Zwei Hände halten sich vor einem blauen Himmel
Foto: Jeff Kingma auf Pixabay

 

 

Vorheriger Artikel
Nächster Artikel

Gefördert vom Kulturamt der Landeshauptstadt Stuttgart

Anstehende Veranstaltungen