StipendiatInnen 2021: Olga Martynova, Urs Mannhart und Raoul Eisele

Im ersten Quartal des Jahres 2021, das wie schon 2020 als weiteres „Corona-Jahr“ in die Geschichte eingehen wird, haben wir drei Stipendien vergeben können, nicht zuletzt dank der Tatsache, dass wir diese Säule unserer Arbeit, nämlich die Vergabe von Stipendien und die Beherbergung von StipendiatInnen trotz Corona erfolgreich durchführen können.

Olga Martynova © Daniel Jurjew

Nach einer Renovierung unserer StipendiatInnenwohnung im obersten Stock des Hauses
macht Olga Martynova den Anfang. Sie ist von Februar bis Ende April 2021 unser Gast. Sie erhält das Lyrikstipendium des Schriftstellerhauses für ihren Zyklus „Speranza“, der in einen geplanten Lyrikband einfließen soll.
Olga Martynova, 1962 in Sibirien geboren, aufgewachsen in Leningrad. 1991 zog sie zusammen mit Oleg Jujew (1959-2018) nach Deutschland. Zahlreiche Veröffentlichungen in russischsprachigen Periodika, vier Lyrikbände. Ihre Gedichte sind ins Deutsche, Französische, Schwedische, Italienische, Serbische, und Englische übersetzt.
Seit 1999 schreibt sie Buchbesprechungen und Essays für deutschsprachige Medien (u.a. Die Zeit, Frankfurter Rundschau, Neue Zürcher Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung).

Seit dem Ende der 2000er Jahre schreibt sie Literatur in deutscher Sprache.

Folgende Bücher sind auf Deutsch erschienen:
„Sogar Papageien überleben uns“. Droschl Verlag, Graz / Wien 2010.
„Mörikes Schlüsselbein“. Droschl Verlag, Graz 2013.
„Der Engelherd“. S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2016.
„Über die Dummheit der Stunde Essays.“ S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2018

Für ihre Arbeit ist Martynova, Mitglied des PEN und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet worden, u.a.:

2010: Longlist Deutscher Buchpreis für „Sogar Papageien überleben uns“
2011: Förderpreis Adelbert-von-Chamisso-Preis
2012: Ingeborg-Bachmann-Preis für „Ich werde sagen: ‚Hi'“
2013/2014: Stipendium des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg
2015: Berliner Literaturpreis
2017: Grenzgänger-Rechercheförderung der Robert Bosch Stiftung und des Literarischen Colloquiums Berlin

„Der geplante Gedichtband enthält den Zyklus „SPERANZA“, der eine Auseinandersetzung mit der Trauer ist.“ Olga Martynova in ihrem Motivationsschreiben 

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Urs Mannhart © privat

Von Mai-Juni residiert der Schweizer Autor Urs Mannhart im Schriftstellerhaus. Er erhält das Stipendium des Landes Baden-Württemberg für die Arbeit an einem Roman, den er bei seinem in Berlin ansässigen Secession-Verlag publizieren möchte, der Arbeitstitel lautet „Die Lücken“.

Dazu Mannhart: „Aus den versammelten Figuren sticht Denise Bellmont klar als Hauptfigur hervor. Bellmont, eine erfolgreiche, 37-jährige Naturwissenschaftlerin, hat eine leitende Position inne am Institut für Hochenergiephysik am CERN, dem Europäischen Zentrum für Kernphysik, in der Nähe von Genf.“ Diese Wissenschaftlerin will beweisen, dass Homöopathie nichts ist als pseudowissenschaftliche Geldmacherei.
Mannhart: „Bei ihren Recherchen zu dem Thema entdeckt sie immer deutlicher eigentümliche Verwandtschaften zwischen Homöopathie und Teilchenphysik…..Hier wie dort ist die Existenz einer festen Materie unklar oder unwichtig. Hier wie dort besteht die Welt hauptsächlich aus Lücken, aus mehr oder weniger leeren Zwischenräumen. Entscheidend ist bloß, welche Energien, welche Informationen übertragen werden.“…

Geboren 1975, war und ist Urs Mannhart nach eigenen Angaben in diversen Bereichen tätig: als Fahrradkurier, Nachtwächter in einem Asylzentrum und Abdichter, schweizerisch für Dachdecker. Derzeit arbeitet Mannhart in Teilzeit in der bio-dynamischen Landwirtschaft. Auf Reisen pflegt Mannhart den literarischen Jounalismus und trägt für den literarische Zeitschrift „Reportagen“ immer wieder Geschichten nach Hause, oft aus der einstigen Sowjetunion.

Publikationen:
„Bergsteigen im Flachland“. Secession-Verlag, Berlin 2014
„Die Anomalie des geomagnetischen Feldes südöstlich von Domodossola. Bilger-Verlag, Zürich 2004
„Luchs“. Bilger-Verlag, Zürich 2004
Darüber hinaus eine große Anzahl an Beiträgen in Anthologien und Zeitschriften.

Mannhart wurde für seine künstlerische Arbeit mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet, u.a.:
2006: Buchpreis des Kantons Bern für „Die Anomalie….“
2006: Aufenthaltsstipendium am Literarischen Colloquium Berlin
2016: Paris-Stipendium des Kantons Bern
2017: Conrad-Ferdianand-Meyer-Preis
2017: Shortlist für den Ingeborg Bachmann-Preis in  Klagenfurt

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Raoul Eisele © Sandra Bernhofer

Im vierten Quartal des Jahres 2021 ist Raoul Eisele zu Gast im Schriftstellerhaus. Er erhält das Stipendium der Landeshauptstadt Stuttgart, das wir ebenfalls finanziell aufstocken und als weiteres Lyrik-Stipendium ausgeben.

Eisele wurde 1991 in Eisenstadt, Österreich geboren, er lebt in Wien. Er hat einen B.A. in Germanistik und Komparatistik, später dann einen Master in Germanistik an der Universität Wien erlangt.

Seit 2017 hat er unter verschiedenen namhaften Regisseuren zahlreiche Hospitanzen am Schauspielhaus Wien und am Max-Reinhardt Seminar absolviert.

Veröffentlicht hat er das Buch „morgen glätten wir träume“ in der Edition Yara, 2017, sowie zahlreiche Beiträge in Anthologien sowie in Literatur- und Kunstmagazinen, wie in Signaturen, Ostragehege, erostepost Nr. 55, silbende kunst u.v.a.

In Stuttgart wird er sich mit seinem aktuellen Lyrikprojekt „einmal hatten wir schwarze Löcher gezählt“, Arbeitstitel beschäftigen.
Dazu Raoul Eisele: „Sich in einer Stadt zu finden, sich in einer Stadt zurechtzufinden, ist mir immer Inspiration, ist für mich, Dokumentation, Archivarbeit … Es geht um jene Erinnerungsarbeit, jene Ankünfte in Städten, an Orten, die man einst bereiste, in denen man lebte, oder eben jene noch zu findenden, die man nur aus Erzählungen kennt.“