Gott sei Dank Sonntag. Ich fürchte mich vor der Überarbeitung der nächsten Textstelle. Sie ist eine von den zwei heiklen, von denen ich noch nicht weiß, ob ich zu ihnen stehen kann. Verschieben wir es auf Montag und machen eine Führung durch die Weißenhofsiedlung mit. Theoretisch kenne ich das alles aus meinem Zusatzstudiengang Waldorfpädagogik für die Oberstufe an der Lehrerausbildungsstätte in Kassel, aber ins Haus von Le Corbusier hineingehen ist etwas anderes. Die niedrigen Decken erinnern mich an meine eigene, nicht rundherum geliebte, Behausung. Die Vorteile des Weißenhofmuseums: Helligkeit und bewohnbares Flachdach. Wohnen möchte ich hier nicht. Ich erinnere mich an einen Jugendtraum: In einer Holzkate leben. Woher stammte dieser Wunsch? Von Ferien mit Eltern in einem Holzhaus? Dort lernte ich Badewasser bereiten, wenn es nicht aus der Wand kommt, und Licht anzünden, wenn es keinen Schalter gibt. Meine Mutter versuchte vergeblich mir beizubringen, dass das keineswegs romantisch war, als man es nicht nur in den Ferien tat, sondern wenn man nebenbei auch noch einen Brotberuf hatte und Kinder großzuziehen waren. Sicher, es machte viel Arbeit, aber vermittelten unsere Eltern den Eindruck, als arbeiteten sie weniger? Oder vermitteln wir den Eindruck, als hätten wir weniger Sorgen? Hat sich die Arbeit nicht einfach nur verändert? Und haben sich die Sorgen nicht bloß verschoben?
Mehr oder weniger bin ich jetzt wieder beim Romanstoff: der Konflikt, der von Generation zu Generation weitergegeben wird. Nur die Symptome sind je nach Biografie und sozialer Gruppe unterschiedlich.
Na schön, kann ich ja gleich wieder an die Arbeit gehen.
Das Schriftstellerhaus ist ein beliebter Treffpunkt für Autorinnen und Autoren aus Stuttgart und der Region sowie ein Veranstaltungsort für Lesungen, Tagungen und Schreibwerkstätten.