
Das sanfte Rauschen des Wasserkochers
Es dämmert bereits, als ich mir einen Weg durch das Menschengetümmel, raus aus dem Bahnhof, hinein in die Stadt bahne.
In der Luft liegt neben Kälte und Herbstgeruch noch ein kribbelnder Hauch von Nervosität, der sich zunehmend verdichtet, je näher ich mich dem fast unscheinbaren, kleinen Fachwerkhaus nähere.
Im Inneren brennt bereits Licht, und ich kann die Konturen einiger Menschen ausmachen, die versammelt an einem langen Tisch sitzen.
Beim Eintreten herrscht eine gelassene, ruhige Stimmung:
Erste inoffizielle Vorstellungsrunden,
lose Gesprächsfetzen über Banalitäten, beispielsweise die zehn verschiedenen Kräutertees mit wiederum zehn verschiedenen (darin enthaltenen) Kräutern, die den sonst schlichten Tisch wie ein Stillleben verzieren,
Witze über die Verspätung der beiden gleichnamigen, leitenden Autoren,
noch ein paar mehr, als der eine Moritz nach zwanzig Minuten auftaucht, und schließlich flüsternde Anmerkungen, dass dieses Detail unbedingt in meinem Bericht erwähnt werden müsse, als auch der zweite Moritz schließlich hinzukommt.
Doch da sind schon alle im Schreiben vertieft.
Unsere Aufgabe ist es über einen zuvor im Haus gesuchten und gefundenen Gegenstand in begrenzter Zeit einen freien, kreativen Text zu verfassen. Der Raum ist jetzt vollkommen ruhig und wird nur gelegentlich durch das sanfte Rauschen des Wasserkochers unterbrochen, dessen Gleichmäßigkeit ein behagliches Gefühl verströmt.
Bei der anschließenden Vorleserunde ist es anfangs beinahe einschüchternd die Texte der anderen zu hören. Nicht nur ihr Inhalt ist beeindruckend, sondern auch die offene Art diesen vorzutragen: Weder mit Unsicherheit noch mit Überheblichkeit, sondern ganz selbstverständlich, als würden sie jeden Tag nichts anderes tun.
Nachdem auch ich meine eigene Komfortzone verlassen musste, um das Selbstgeschriebene zu präsentieren, spüre ich eine unerwartete Erleichterung. Das alles fühlt sich ungewohnt und vielleicht sogar etwas unangenehm an, zugleich merke ich dadurch, wie neu und schön dieser Austausch mit „Gleichgesinnten“ ist.
Was das nächste Treffen bereithält, weiß noch niemand. Die Spannung steigt, ebenso wie die Vorfreude auf ein Wiedersehen.
Als ich wieder aus dem Gebäude hinaustrete, ist es bereits ganz dunkel geworden. Vom Charlottenplatz her klingt gedämpfte Klaviermusik, und während der eisige Wind durch meine Haare fährt, muss ich ein kleines bisschen lächeln.


