aauf der ersten seite des gästebuchs (übernachtungsgäste im braunen zimmer, 1) findet sich der vermerk, lieber übernachtungsgast, bitte tragen sie in dieses heft ihren namen + anschrift + telefonnummer und das datum ihrer übernachtung ein, mit den adressen, denke ich, ist das ja so eine sache, nicht wahr, wenn ich diese bücher nämlich durchblättere, dann entdecke ich adressanschriften, die es so nicht mehr geben kann (anschluss an den vorhergehenden beitrag, gewissermaßen, wobei ich sicher bin, dass die straßen des vierten juli noch zu finden sind, zumindest in serbien, wo man mit der umbenennung von straßennamen nicht ganz so fleißig war, nicht wahr, zumindest, so weit mir bekannt), und auch telefonnummern, bei denen, riefe man heute an, wohl sicher keiner mehr rangeht, weil rangehen kann. am schönsten aber, finde ich, und das habe ich auch zu viktor gesagt, an ostern, als wir gemeinsam in den gästebüchern blätterten, am schönsten finde ich die beiträge, die man kaum entziffern kann, wo handschriftlichkeit zu einer eigenen schrift wird, die nur der oder die schreibende entziffern kann, und die sich also an jemanden richten, aber dann eben doch geheim bleiben; dass geheimnisse bloß in geheimer schrift niedergschrieben werden können, hat mir einmal jemand erzählt, zumindest, dass sie das als kind so praktiziert hat, ihre intimsten und geheimsten sehnsüchte und wünsche habe sie, name ist mir entfallen, in einer eigens dafür erfundenen schrift notiert, so dass der vorgang des notierens eigentlich der einzig manifeste moment war, weil die schrift nämlich so kompliziert gewesen sei, dass sie sie nicht flüssig habe lesen können, ein code des kindlichen begehrens, könnte man dazu sagen, wollte man es in einem begriff zusammenfassen, bloß, wozu sollte man, denn, dann würde sich das geschichtenerzählen ja gar nicht mehr lohnen, oder?
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Magdalena Schrefel
Magdalena Schrefel, 1984 geboren in Korneuburg/Wien, hat 2015 das Studium Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig mit einem Theatertext abgeschlossen. Zuvor hat sie zunächst ein Jahr im Europäischen Freiwilligendienst in Vukovar, Kroatien, absolviert. Es folgte ein Studium Europäische Ethnologie an der Universität in Wien. (Foto: Sarah Horvath)
Die Autorin war von Februar bis Ende April 2016 zu Gast im Stuttgarter Schriftstellerhaus.