das schreiben in ein gästebuch ist auch eine komische sache, weil es adressiert, ohne zu kennen, oder in der kenntnis der angesprochenen person, aber eben in aller öffentlichkeit, nicht wahr, so denke ich zumindest, ein bisschen wie ein analoges facebook, wo also a sich an b wendet, im wissen -und der hoffnung-, c, d, e, f und ff mögen es auch mitbekommen, wahrnehmen, nämlich, und, ein buch ist hier bisher auch gänzlich unerwähnt geblieben, das gästebuch in der stipendiatinnenwohnung, nur ein brief, beginnt der erste eintrag, datiert mit dem 28.11.1985, nur ein brief, und, der, dem nächsten, und dann ein längerer hangeschriebener bericht über den aufenthalt, der zwischen praktischem ratgeber und reflexion der eigenen erfahrung oszilliert, und das in einem tonfall, als wüsste henrike l., die verfasserin, eben ganz genau, wen sie da anspricht, was mich dazu veranlasst hat, mich zu fragen, ob sie das vielleicht tatsächlich weiß, also gewusst hat. weil wir uns in der gleiche situation befinden, also befunden haben werden, wenn auch rund 30 jahre zwischen unseren aufenthalten liegen, sie trotzdem eine ahnung hat, von diesem enthobensein aus dem alltag, das quasi grundzustand der aufenhaltsstipendiatin ist. wo man im besten fall gleich am morgen, noch bevor man die augen aufschlägt, das fenster öffnet, geräusch und geruch des bäckers (von ihm wird noch zu berichten sein) sich ins zimmer holt, sich aus der decke schält, seine morgentoilette erledigt, frühstückt oder joggen geht, noch vor all dem also, was in jedem alltag platz findet, mehr oder weniger, gleich am morgen also sich im text befindet. als hätte der körper über nacht weiter gearbeitet. oder, aber, am abend, wenn man sich schlafen legt, nachdem man im kino war, zu abend gegessen hat, noch ein paar zeilen gelesen (aktuell auf dem nachttisch: agamben, zweifach, krazhnohorkai, mit dünner staubschicht, mccarthy, unbedingt, aber noch fürchte ich mich, und schon wieder keine autorin, wie ärgerlich, und -das nur als einschub im einschub-, das schöne ist, niemand weiß, was tatsächlich auf meinem nachttisch liegt, ob es sich hier um product placement, name dropping, selbstaufladung, understatement oder doch die wahrheit handelt) in jedem fall dann plötzlich noch einmal hellwach ist, weil die schwelle zwischen tag und traum jener raum ist, in dem die erzählung statt findet, sich ereignet, meine ich, wo also form und stimme annimmt, was später zu papier gebracht werden wird, also niedergeschrieben, getippt, fixiert, kann man das so sagen, ganz sicher bin ich mir auch nicht. jutta r., in jedem fall, kann ihr, henrike, nur beipflichten, dem was henrike leonhardt schreibt ist nicht viel hinzuzufügen, schreibt sie in ihrem beitrag, weil, eben, eigentlich immer alles schon einmal gesagt worden ist.
(fünf)
Ähnliche Beiträge
Magdalena Schrefel
Magdalena Schrefel, 1984 geboren in Korneuburg/Wien, hat 2015 das Studium Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig mit einem Theatertext abgeschlossen. Zuvor hat sie zunächst ein Jahr im Europäischen Freiwilligendienst in Vukovar, Kroatien, absolviert. Es folgte ein Studium Europäische Ethnologie an der Universität in Wien. (Foto: Sarah Horvath)
Die Autorin war von Februar bis Ende April 2016 zu Gast im Stuttgarter Schriftstellerhaus.