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Ankunft im Stuttgarter Schriftstellerhaus

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Ich erreiche Stuttgart am Abend. Starkregen und Hagel brachten den Verkehr auf der Autobahn zum Erliegen – düstere Vorboten für den Mai. Im Züblin-Parkhaus brennt schon Licht. Ich finde eine Lücke und stelle den Motor ab. Beim Hinausschleppen der Koffer wird mir klar, dass ich in einer Ausstellung bin: Fumes and Perfumes. Ich atme die Parkhausluft ein und verstehe den Titel.

Im Züblin Parkhaus brennt Licht. Ausstellung Fumes and Perfumes. Exponat von Yves Noir.

Die Stipendiatenwohnung döst friedlich im Licht der untergehenden Sonde. Oder wie heißt das gleißend helle, runde Objekt über dem Zahnarztstuhl, das wie ein Ufo aussieht? In der Zahnarztpraxis gegenüber macht eine Frau sauber. Eine Raumreinigung für den Zahnreinigungsraum. Ich stelle mir vor, wie ich hier schreiben und mit den Patienten mitfühlende Blicke tauschen werde. Sie auf dem Behandlungsstuhl, ich auf dem Schreibschemel. Wurzelbehandlung oder Romanschreiben? Alles hat seine Zeit.

Stipendiatenwohnung am Abend.

Die Parkgebühren am Automaten entsprechen in etwa dem Preis zweier Kinokarten, die man für einen 3D-Film mit Überlänge hinlegen muss. Immerhin hätte ich dafür eine Nacht und einen halben Tag lang über die Parkdecks cruisen und Kunst gucken können. Wie ein McDrive für zeitgenössisiche Fotografie. Zeitgenüsslich? Auf drei Etagen reihen sich ebenso großartige wie -formatige Bilder u.a. von Monica Menez, Yves Noir und Peter Frank. Es gibt einen Podcast, der in Fahrtrichtung durch die Ausstellung führt. Auf dem Parkhausdach wachsen Erdbeeren.

Nicht nur Erdbeeren auf dem Parkhausdach.

Umparken

Ich steuere das Auto einen Berg hinauf, bis mir der Weg ausreichend unzugänglich für Abschleppfahrzeuge vorkommt und parke. Da ich das Fahrrad dabei habe, kann ich rückzus ins Stadtzentrum rollen. Rückzus… ist das ein legales Wort? Am nächsten Abend schiebe ich mein Fahrrad wieder hinauf und suche mir einen neuen Parkplatz. In den nächsten Tagen wird das meine neue Abendroutine: Fahrrad hochschieben, einladen, Auto umparken, Fahrrad ausladen, hinunterrollen. Ich düse mit dem Fahrrad eine halbe Stunde lang von Schloss Solitude hinab in den Kessel. Danach bin ich so k.o., dass mich die nächtlichen Backgeräusche vom Hof kaum noch stören. Dennoch beeindruckend, wie viele Dezibel in so einem Dinkel-Honig-Krüstchen stecken.

Bassbox als Dinkelbrötchen. Danke KI.

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Demnächst darf ich mich im Stuttgarter Schriftstellerhaus vorstellen lassen.  Wie läuft das Umparken? Woran schreibe ich? Was ist ein Marl? Am 17. Juni 2024 um 19:30 könnten Sie es erfahren. Moderiert wird die Veranstaltung vom Schriftsteller Moritz Heger. Sie sind ganz herzlich eingeladen!

Martin Knuth
Martin Knuth
Martin Knuth erhält das Stipendium der Landeshauptstadt Stuttgart 2024 und ist ab Mai 2024 im Stuttgarter Schriftstellerhaus. Martin Knuth wurde 1984 in Görlitz geboren und studierte Philosophie in Jena und Krakau. Er erhielt verschiedene Auszeichnungen und Stipendien. (Foto des Autors © Foto: Tina Peißker)