Lena Schätte las am 3. November 2025 im Café Lesbar der Stadtbibliothek Stuttgart und sprach über das Brechen von Tabus, über das, was bleibt, wenn die Geschichten sich weigern, sauber zu enden.
Sie möchte in ihrem Roman „Das Schwarz an den Händen meines Vaters“ Narrative aufbrechen: Täter, Opfer und die, die übrig bleiben. Schätte sprach über Suchterkrankungen, über Familien, in denen das Leiden weitergegeben wird, von Generation zu Generation. Über Frauen, die das Chaos zusammenhalten. Mütter, Töchter, Partnerinnen. Diejenige im Hintergrund, die oft Co-Abhängige sind. Sie macht diese Frauen sichtbar.
Schätte schreibt über eine Arbeiterfamilie, über Sucht, über die eigenen Linien. Über den Vater, den Großvater. Jenem Mann, der betrunken im Schnee erfror und dessen Jackett in einer Bar zurückblieb. Dieses Jackett wurde in der Lesung zum Symbol: ein Kleidungsstück, das hängen bleibt, während der Körper verschwindet.
In Schättes Texten verschwindet das Schwarz an den Händen des Vaters, weil er nicht mehr in der Fabrik arbeitet, weil der Alkohol ihn arbeitslos macht und weil gerade dieses Verschwinden neue Probleme schafft. Sie sprach von der Vater-Tochter-Beziehung, von Nähe und Wiederholung. „Motte und ihr Vater sind sich sehr ähnlich“, sagte sie. „Und das frustriert beide.“ Alkoholismus, so deutete Schätte an, sei nicht nur eine Krankheit, sondern eine Vererbung: Er formt Beziehungen, lenkt Partnerwahlen, überträgt Co-Abhängigkeit wie ein Muster, das sich kaum durchbrechen lässt.
Auf eine Frage der Moderatorin Viola Völlm hin, wann und wie sie schreibt, lachte sie kurz: „In den Zwischenräumen. In der Bahn, beim Spazierengehen, auf Zetteln. Im Chaos.“ Das Schreiben kann als Versuch verstanden werden, Ordnung in die Brüche zu bringen, ohne sie zu glätten.
Auch sprach sie über Erinnerung und Perspektivenwechsel. Kindheitstraumata, sagte sie, machten Erinnerungen extrem konkret. Man wisse genau, wie etwas war und andere Monate, andere Zeiten blieben schwarz. Dieses Schwarz tauchte immer wieder auf, in Bildern, in Pausen.
Schätte macht deutlich: bei Suchterkrankungen gibt es kein Happy End. Keine völlige Genesung. Es gibt schwarze Tage und überhelle.

Lena Schätte liest im Café Lesbar in der Stadtbibliothek Foto: Charlotte Feichtmair


