
An welchem Projekt arbeitest Du gerade im Schriftstellerhaus?
Mein letzter Roman „Die Taucherin“ ist gerade erst letzten Sommer erschienen. Jetzt sitze ich an einem neuen Romanprojekt. Entwickle meine Hauptfigur, versuche zu verstehen, wie sie tickt, was ihr widerfahren ist. Es geht um Risiken und Fehleinschätzungen, um Schwund und Katastrophen – sowohl im Persönlichen der Figur wie auch global. Ich gehe sehr gerne zum Schreiben in die Landesbibliothek rüber und nutze die Bestände dort für meine Recherchen. Außerdem habe ich einige Lesungen in diesen drei Monaten, hier in Stuttgart gleich zwei Mal.
Die Reise ins Fremde und das Wiederentdecken des Bekannten sind Motive Deiner Erzählungen. Dazu fällt mir ein, dass ich vor kurzem in Stuttgart ein Schild sah mit der Aufschrift „Fremdenzimmer“. Was verbindest Du mit diesem Begriff?
Er weckt sofort eine gewisse Nostalgie, klingt ein wenig aus der Zeit gefallen. Ich denke an lange Fahrradtouren und Fernwanderungen, an einfache Verhältnisse und Bodenständigkeit, an die Farben und Dekore der Achtziger und Siebziger Jahre. Das sind positive Assoziationen, aber der Begriff ist eigentlich ausgrenzend, „Gästezimmer“ wäre ja viel einladender. Das Wort markiert ein „Wir“ und etwas, das draußen ist, fremd ist – und vielleicht ja bleiben soll. Ich denke auch daran, wie skandalös Begrifflichkeit wie „fremd“ derzeit missbraucht und instrumentalisiert wird und wie fremd und immer fremder ich mich selbst fühle angesichts der Entwicklungen, die unsere Gesellschaft als Ganzes nimmt.
Ein Merkmal Deiner Literatur ist die besondere Art, wie Du Mündlichkeit im geschriebenen Text ausdrückst. Welche Strategien hast Du dazu entwickelt?
Ich arbeite intensiv an den Dialogen, schleife sie, verknappe, lese sie mir vor. In meinem Roman „Kirchberg“ habe ich auf Anführungszeichen ganz verzichtet und Gesprochenes im Fließtext eingewoben. Darüber hinaus empfinde ich Dialekt als etwas sehr Bereicherndes. Da geht nochmal eine ganze Welt auf. Niedergeschrieben als Dialog wirkt das jedoch peinlich. Ich platziere einzelne Worte sehr spärlich im Text. So können sie leuchten. Sie schaffen eine besondere Stimmung und sind ein kleiner Ruckler im Lesefluss. Es gibt schwäbische Wörter, die manchen Sachverhalt sehr präzise beschreiben und kein Pendant im Hochdeutschen haben.
Für die Finanzierung des Literaturstipendiums danken wir der Stadt Stuttgart.